1994 starb Anneliese Nissen, Dénes Zsigmondys Frau und Duopartnerin über fünfzig Jahre Konzert- und Unterrichtstätigkeit. Die Aufnahmen von Sonaten von Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms und Schumann sind bis heute – wenngleich bedauerlicherweise Insidertipps – beispielhaft für perfekte Duokunst. Ich lernte Zsigmondy 1995 kennen und hatte das Glück, über die nächsten zehn Jahre mit ihm Kammermusik spielen zu dürfen, in Holzhausen zu unterrichten, und rückblickend sehr viel Zeit mit ihm zu verbringen. Diese Bach-Aufnahme lag ihm unendlich am Herzen; sie war wohl sein musikalischer Abschied von seiner Frau, und sie dokumentiert zugleich die Essenz seines Daseins. Dénes Zsigmondy war in erster Linie Mensch, dann Musiker, und dann erst Geiger. Er war immer mehr interessiert an Kunst, Literatur, Architektur, Philosophie oder Musik an sich als am Geigenspiel im Besonderen. Zu den Menschen, denen er im Leben begegnete, gehörten Thomas Mann und Werner Heisenberg; er bewunderte Alfred Brendel, András Schiff und Cecilia Bartoli, und war leidenschaftlicher Tennisfan. Im Mai 1995, im Alter von 73 Jahren, schloss er sich über Tage hinweg alleine in der Kirche von Holzhausen ein, wo er Hunderte von Konzerten mit seiner Frau gegeben hatte, und spielte Bach aus seinem zerfledderten Exemplar des Faksimiles. Kein Tonmeister war anwesend; er betätigte den Startknopf des DAT-Recorders selber, nachdem Otto Braun die Mikrofone aufgebaut und ihn dann alleine gelassen hatte. Das Resultat waren rund 50 Stunden vollkommen unsortiertes Tonmaterial, denn natürlich folgte er weder einem Aufnahmeplan noch sonstigen Regeln. Es schien aussichtslos, dass aus den zahlreichen DAT-Kassetten mit wahllosen Bach-Sätzen (und manchmal nur Fragmenten) je eine professionelle Aufnahme werden könnte. Ich habe mich 1996 durch das gesamte Material gehört und gemeinsam mit Robert Müller die vorliegende Aufnahme geschnitten; noch heute erinnere ich mich an ein Band, das voll mit „Üben“ schien, aber dann einmal das Adagio der C-Dur-Sonate enthielt, das mir die Tränen in die Augen brachte – es befindet sich ungeschnitten auf in dieser Aufnahme. Keine Minute Zsigmondy, die ich damals gehört habe, empfinde ich als verschwendet. Zsigmondy bezahlte dann 1996 eine Pressung von CDs selbst; die Aufnahme ist nie richtig veröffentlicht worden. Ich bin daher glücklich, zur 95. Wiederkehr seines Geburtstags das Vermächtnis dieses besonderen Musikers in einer neu gemasterten Version einer weiteren Öffentlichkeit präsentieren zu können, und bin sicher, dass nicht nur seine zahllosen Schüler und Freunde daran Freude haben. Es ist nicht nur ein musikalischer Blick in die Vergangenheit, sondern auch in die Seele eines Menschen, den wir nicht vergessen sollten.