Wolfgang Amadeus Mozart zum 262. Geburtstag

Mozart, Wolfgang Amadeus (BKA)_0Über Mozart, den Komponisten, der wohl den Göttern am nächsten ist, scheint alles gesagt. Und doch gibt es Dinge, über die man auch als Musiker nicht täglich nachdenkt.

1862 machte sich der Jurist, Historiker und Amateurmusiker Ludwig von Köchel, Erzieher der Söhne von Erzherzog Karl, daran, die Werke Wolfgang Amadé Mozarts zu katalogisieren. Und da beginnen schon die Probleme: Wolfgang Amadeus Mozart hieß gar nicht „Amadeus“. Wir haben keine einzige solche Unterschrift von Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart (so der Taufname), lediglich in drei Briefen verwendet er – und das auch nur eher scherzhaft – die später wahrscheinlich durch den amtlich latinisierten Eintrag im Sterberegister üblich gewordene Form seines von ihm stets gewählten „Amadé“ übersetzten dritten Vornamens Theophilus. Noch die ersten Werke erschienen als „J. G. Wolfgang Mozart“, das G für „Gottlieb“.

„Wurscht“, mögen Sie jetzt zu Recht denken – ist es aber doch nicht ganz, denn es zeigt, daß man mit wieviel Forschung auch immer an die wahren Details im Leben des W. A. Mozart wohl nicht herankommen wird. Und so verhält es sich auch mit dem von fünf weiteren Musikwissenschaftlern unaufhörlich ergänzten, erweiterten und umgearbeiteten Köchel-Verzeichnis, dessen inzwischen achte Auflage aus dem Jahr 1983 nicht nur für Musiker ein inzwischen unüberschaubares Chaos darstellt. In noch chaotischerem Zustand ist wohl das in meinen Augen unselige Werkverzeichnis von Joseph Haydn, das Anthony van Hoboken in den Jahren 1957 bis 1978 angefertigt hat.

Während Sie diese Zeilen lesen, wäre das erste Werk des Köchelverzeichnis, das Menuett in G-Dur KV1 (erste Auflage) bzw. KV1e (sechste Auflage) wahrscheinlich schon vorbei. Nicht einmal die Entstehungszeit dieses kleinen Stücks ist wirklich sicher: War Mozart nun fünf oder acht Jahre alt, als er es schrieb? Das nun – Sie mögen es mir verzeihen – finde ich „wurscht“, denn mir als Musiker wird das Wunder Mozart immer unbegreiflicher, je mehr Musik ich von ihm kenne.

Springen wir ins Jahr 1785. Mozart war auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft und – das sei hier nebenbei erwähnt – alles andere als ein verarmtes Genie. In heutiger Währung waren es in den Wiener Jahren Millionen, die er umsetzte. Der konzertierende und komponierende Superstar, der für die Kerzen in der für seinen Billardtisch eigens konstruierten indirekten Beleuchtung jährlich bedenkenlos mehr Geld ausgab als die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung verdiente, lebte überschwenglich: prachtvolle Wohnungen, Instrumententransporte, Bedienstete, Kleider, Perücken, die Kuraufenthalte für seine Frau, Festessen und vieles mehr. Andererseits: Er war 29 (!) Jahre jung, endlich erfolgreich und gesund – wofür hätte er sparen sollen? Er konnte ja nicht wissen, dass er mit 35 tödlich erkranken würde. Dass bei einem solchen Lebenswandel dann auch einmal eine Produktion, in die er viel Geld investiert hatte, ein Flop sein konnte, ist nur natürlich, und Versicherungen jeglicher Art kannte man nicht. Also gab es zeitweise Engpässe – heute würde man sagen: unregelmäßigen cashflow. Aber richtige Armut? Nie – das gehört ins Reich der Legenden. Mozarts Gagen in Wien waren astronomisch. Man würde ja auch heute von Michael Jackson nicht sagen, er hätte „verarmt“ gelebt …

Nächste Station: 1788. Es sind die drei letzten Symphonien, Klaviertrios und -sonaten sowie verschiedene kleinere Werke, die es (jenes nach dem „Don Giovanni“) beherrschen. Mozart – man vergesse das nicht! – war immer noch erst 32 Jahre alt. Die Symphonie in C-Dur KV 551 („Jupiter“) ist die letzte, wenngleich mit dem „Titus“, der „Zauberflöte“, dem Requiem und dem Klarinettenkonzert noch massenhaft Orchesterwerke folgen sollten. Die drei letzten Symphonien entstanden wohl innerhalb von zwei Monaten, sind doch die Niederschriften mit 26. Juni, 25. Juli und 10. August datiert. Wenn das für nachkommende Musiker keine Aufforderung zur Demut ist … Die Tonarten g-moll, Es-Dur und C-Dur könnten auf die drei Symphonien 82 bis 84 von Haydn zurückgehen, die im Dezember 1787 als sein op. 51 im Druck erschienen ist. Eine weitere Verbeugung vor dem großen Gönner? Es scheint demzufolge beinahe schicksalhaft, dass ausgerechnet in London, wo Haydn manche seiner größten Erfolge feierte, von dem Impresario Johann Peter Salomon 1829 der Name „Jupiter-Symphonie“ geprägt wurde. Amadeus und Jupiter – wer da den kürzeren zieht, bleibt wohl offen.

Schauen Sie das Phantombild des BKA an, das einen Besessenen zeigt. Schumanns Zitat:„Klimpere nie!“ ist geradezu harmlos im Vergleich zu Mozarts Schaffensdrang. Was bleibt? Vielleicht eine weitere Antwort auf die Frage, woran Mozart gestorben ist: Zu viel Leben.

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Wolfgang Amadeus Mozart zum 262. Geburtstag

Ludwig van Beethoven zum 247. Geburtstag

ludwig-van-beethoven-death-mask-of-the-german-composer_2_0Eigentlich ist es ja seltsam, dass ausgerechnet ein Rheinländer mit niederländischen Wurzeln als einer der drei Hauptvertreter der „Wiener Klassik“ gilt. Die anderen beiden sind übrigens ein Salzburger (Mozart) und ein Burgenländer (Haydn). Ludwig van Beethoven, geboren 1770 im damals noch beschaulichen Bonn am Rhein als Sohn eines dem Alkohol verfallenen Orchestermusikers, kam also dank diverser Gönner nach Wien, um von dem Burgenländer die Wiener Klassik zu lernen, und blieb – wie so viele vor und nach ihm.

Auch bei Beethoven sind die Eckpfeiler seines Lebens wohl bekannt oder leicht nachzulesen. Beethoven, von den drei Wiener Klassikern derjenige, der die Schwelle zur Romantik am ehesten berührt, wenn nicht sogar ganz zaghaft gelegentlich schon überschreitet, quasi mit der kompositorischen kleinen Zehe. Mozart, der Göttliche, Haydn, der Irdische, und Beethoven, der … ja was? „Titan“ ist einer der Begriffe, die man immer wieder in Zusammenhang mit ihm findet. Warum ausgerechnet „Titan“?

Beethoven ringt ein Leben lang. Mit sich, seinem Inneren und Äußeren. Glaubt man den zeitgenössischen Beschreibungen, so war er kein äußerlich schöner Mensch: als klein und pockennarbig, mit wildem Haar und oft grimmigem Gesichtsausdruck wird er dargestellt. Das Innere ist wohl schwerer zu beschreiben, ist es doch so untrennbar mit manchen Äußerlichkeiten, so etwa der immer wieder verschmähten Liebe und dem Verlust der akustischen Wahrnehmungsfähigkeit der Umwelt verbunden. Nicht nur daraus resultiert wohl ein geradezu panisches Ringen mit den musikalischen Gedanken, die sich in seinem Kopf und seiner zerklüfteten Seele formen. Meist sind es Tonleiter- oder Dreiklangsmotive, die er – anders als die endlos fließenden Mozart-Melodien oder die fast sprachlich artikulierten Haydn-Motive – zu markanten Themen zusammenschmiedet.

Abweisend und schroff sind viele seiner Themen, ja ganze Werke brauchen die Bereitschaft von Musikern und Zuhörern, sich auf diesen Menschen einzulassen. Und doch gibt es die Momente der beinahe unbeschwerten Schönheit, sogar Anflüge von Humor, wenngleich selten „Spaß“. Harmlos war er sicher nicht, der Komponist von „Hammerklavier“-Sonate, Fidelio und den späten Streichquartetten. Wäre er ein bildender Künstler gewesen, hätte er wohl mit Granit und heutzutage auch mit Stahl gearbeitet. Und doch tun sich Sehnsüchte auf (man denke an den langsamen Satz der „Pathétique“-Sonate), friedlich-pastorale Werke (so etwa der erste Satz des G-Dur-Klavierkonzerts, der erste Satz des „Erzherzog“-Trios oder die A-Dur-Cellosonate) und auch heiter-unbeschwerte Sätze (etwa der letzte Satz des dritten Klaviertrios, der letzte Satz des Tripelkonzerts oder weite Teile der siebten und achten Symphonie) kommen vor.

Beethovens Musik springt einen nicht an, weder den Zuhörer noch den Spieler. Sie braucht, um ihre volle Faszination zu entfalten, den Willen, dem Menschen Beethoven entgegenzukommen. Lässt man sich aber einmal auf diese Reise wirklich ein, kommt man von ihr nicht mehr los. Und irgendwann, irgendwann erklärt sich auch das Unerklärliche, zum Beispiel wie in den letzten Streichquartetten die Cavatine neben der Großen Fuge stehen kann. Beethoven näherkommen zu wollen ist eine Reise zum Mittelpunkt der Erde.

Ludwig van Beethoven zum 247. Geburtstag